kleine Tipps und Hilfestellungen für Betroffene

Das bisher nichts geholfen hat heißt nicht, dass es keine Hilfe gibt.

Nehmen Sie nur die Tipps, die Ihnen zusagen. Überlesen Sie den Rest.

Denken Sie immer wieder daran: auch wenn Sie nicht verstehen, warum es so ist, ist doch jede Ihrer Reaktionen aus Sicht des Traumas verständlich und logisch. Es gibt für alles einen guten Grund, und Sie sind weder verrückt noch krank.

Die meisten Menschen, die betroffen sind, haben gelernt, "um das Trauma drum herum" zu leben. Sie vermeiden die Berührung mit diesen Themen und haben vielleicht schon schlechte Erfahrungen mit Therapie gemacht, denken deshalb schlecht über Psychotherapie. Es ist besser, einfach damit zu leben so gut es geht, als wieder in all das hinein zu geraten.
Wir Traumatherapeuten teilen diese Skepsis. Nicht gegen Therapie oder den Umgang mit dem Trauma an sich, aber gegen jedes Hochkommen von traumatischen Gefühlen oder Zuständen, das in die Überforderung und Überwältigung führt. Wir wissen, dass die Berührung des Traumas, wird sie zu tief, in eine Krise stürzen kann, deren Bewältigung wiederum viel Kraft kosten kann. Daher ist es absolut ratsam, im Alltag wie in der Therapie traumatische Belastungen erst mal nicht oder nur am Rande zu berühren, und zu lernen, wie man an Teile des Traumas herangehen kann, ohne daß es zuviel wird.

Menschliche Beziehungen sind die wichtigste Hilfe und Unterstützung, um weiterleben zu können und im Leben zurecht kommen zu können. Deshalb ist die bedingungslose Unterstützung durch Familie, Freunde und andere wohlmeinende Menschen sehr wichtig, auf der ganz normalen zwischenmenschlichen Ebene und auch in praktischen Dingen. Das allein kann das Trauma nicht heilen. Aber die Mitmenschen und ihre nicht-wertende Akzeptanz sind das wichtigste Mittel, um wieder Fuß zu fassen und Stabilität zu finden. Deswegen sollten Helfer einfach "da" sein, ohne nach dem Trauma zu fragen, sich auch ihrer Bedeutung für das Wohl des anderen klar sein; und Menschen die ein Trauma erfahren haben, sollten schauen, wo sie mitmenschliche Unterstützung bekommen können, auch wenn die nicht genau so aussieht, wie sie es sich wünschen würden, und versuchen, diese Unterstützung auch "an sich heranzulassen".

Was man soweit wie möglich vermeiden sollte:
- den ganzen Tag über seine Traumatisierungen nachdenken
- von morgens bis abends über Probleme nachdenken
- von früh bis spät Therapie mit sich selber machen
- andauernd reflektieren, was man denkt, fühlt, tut...
- mit anderen immer über Probleme reden
Durch solches Verhalten begibt man sich tief in die schwierigen Gebiete des Seelenlebens. Die guten und stabilen Seiten des Lebens geraten ins Hintertreffen, werden nicht mehr unbedarft und - im guten Sinne - "naiv" gelebt, verlieren so ihre Tragkraft.

Wenn irgend möglich, sollte nicht der Therapieprozess im Mittelpunkt des Lebens stehen. Im Mittelpunkt sollte das Leben selbst stehen: der Alltag, die Lebensbewältigung, und alles, was unmittelbar gut tut, angenehm ist und Spaß macht. Das hängt manchmal daran, wie man sich innerlich ausrichtet, worauf man sein Augenmerk legt und wofür man sich in einem bestimmten Moment entscheidet.
Merke: Worauf ich meine Aufmerksamkeit richte, das wird größer!

Alle Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken, die durch Traumatisierung entstehen, sind Teile der vitalen Lebenskraft, die um Bewältigung und Überleben ringen. Auch in den verdrehtesten und destruktivsten Formen will alles dienlich sein und weiterhelfen. Wer dies verstehen und würdigen kann, kann teilweise die Verkomplizierung durch "sekundäre Gefühle" vermeiden: z.B. wütend über seine Wut zu sein (führt zur Blockade) oder traurig über seine Trauer zu sein (führt zu mehr Trauer). Jedes Gefühl, das ich annehmen kann, wird dadurch entlastet. ein Teil des Drucks weicht, Gefühle und Verhaltensweisen können sich leichter zum besseren verändern.
Ein Gefühl, einen Impuls anzunehmen hat dabei nichts damit zu tun, es auszuleben. Behalten Sie so weit wie möglich die Verantwortung und die Führung über Ihre Gefühle, Gedanken und Handlungen. Manches was geschieht liegt noch nicht im Bereich der Kontrolle. Verzichten Sie möglichst auf Schuldgefühle und versuchen Sie auch das zu akzeptieren - und es irgendwann zu verändern, wenn es soweit ist. Bis dahin nutzen Sie die Spielräume und die Selbstkontrolle, so wie sie Ihnen zur Verfügung stehen, um für Sie selbst und andere schädliches zu vermeiden, und stattdessen neutrales oder positives Verhalten zu etablieren.

Immer eines nach dem anderen. Versuchen Sie nicht, alles zugleich zu verändern, weil sonst der nächste Einbruch ziemlich sicher ist. Beinahe jeder hat es eilig und ist ungeduldig - kein Wunder!
Aber: "Je langsamer du gehst, desto rascher kommst du voran!"

Viele Helfer, Therapeuten und Lehrer propagieren das "Loslassen", das "hineingehen", das "durchleben". "Stellen Sie sich dem Problem." "Lassen Sie es raus." Gern: solange es nicht um ein Trauma geht. Ohne Schutz, Halt und gute Absicherung in ein Trauma zu gehen, bedeutet schlicht und ergreifend, wieder im Trauma zu landen. Es wird, teilweise oder in Gänze, noch einmal durchlebt und dadurch bestätigt, nicht aufgelöst.
Deshalb ist es nicht nur in Ordnung, sondern notwendig, dass Sie Kontrolle über die inneren Zustände gewinnen, dass Sie sich - auch körperlich durch Spannung - selbst halten (können) und sich nur soweit auf Entspannung und Loslassen einlassen, wie Sie sich sicher dabei fühlen. Auf diese Weise kommen Sie letztlich schneller ins Loslassen, und zwar auf sicherem Wege und in Ihrem Tempo!

Entspannungsmethoden können sehr nützlich sein. Sie ermöglichen Kraft zu schöpfen, Erholung zu finden, geben Zugang zu guten Gefühlen, z.B. sich friedlicher, innerlich einheitlicher zu fühlen oder ein angenehmeres Körpergefühl zu empfinden. Die Lebenskraft, die Fähigkeit zur Freude oder Gelöstheit zu empfinden kann enorm stärkend sein. Jedoch liegt gerade in der inneren Stille und Entspannung auch das Risiko, dass innere Problemlagen sich einschleichen oder aufdrängen wollen und den offenen inneren Raum zu ihrer Bühne machen wollen. Dann verliert die Entspannung ihren Wert. Entspannungszeit ist keine Problemgrübelzeit. Wenn Sie während einer Entspannung in belastendes Grübeln oder schwierige Gefühle kommen, konzentrieren Sie sich wieder auf etwas angenehmes. Wenn das nicht gelingt, brechen Sie die Entspannung ab. Probieren Sie es unter günstigeren Umständen neu. Körperlich passive Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Meditation sind oft schwieriger als aktive Wege wie Yoga oder Progressive Muskelentspannung, die zusätzlich den Körper und die Lebensenergie pflegen und kräftigen. Finden Sie selbst den Weg zur Entspannung, der gerade zu Ihnen passt. Auch die Gruppe, Räumlichkeiten und vor allem die unterrichtende Person sollte zu Ihnen passen. Machen Sie Probestunden.

Machen Sie sich bewusst: Sie sind Experte in eigener Sache. Niemand kennt Sie so gut wie Sie selbst, verbringt Tag für Tag mit Ihnen, kennt Sie schon von klein auf und kennt all Ihre Bedürfnisse, Grenzen und Möglichkeiten. Stellen Sie niemanden darüber, keinen Therapeuten, keinen Arzt und auch sonst niemanden. Sie sind es, der mit den Konsequenzen Ihres Verhaltens leben muss, nicht der Ratgebende.
Sicher wollen auch die meisten, die Ihnen sagen, was mit Ihnen los ist oder was Sie tun sollten, dass es Ihnen besser geht. Es wird auch viel hilfreiches dabeisein, auf das Sie selbst nicht kommen würden. Selbst die Verantwortung zu tragen heißt nicht, allein auf einer Insel zu leben. Aber niemand außer Ihnen selbst steckt in Ihrem Leben drin. Was für andere gut war, kann für Sie genau das verkehrte sein, oder es kann einfach der falsche Zeitpunkt sein. Daher hören Sie zu, aber glauben Sie nicht blind. Studieren Sie sich, lernen Sie sich kennen, machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Prüfen Sie für sich, was gut sein könnte und probieren Sie es aus, wenn etwas vielversprechend scheint. Und prüfen Sie die Erfahrungen, die Sie dabei gemacht haben. Behalten Sie die Verantwortung für sich. Geben Sie diese an niemanden ab, auch wenn es einladend ist oder von Ihnen gefordert wird.

Lernen Sie die Auslöser für ihre trauma-bedingten Reaktionen kennen. Je mehr Sie darüber wissen, wo in Ihrem Leben Reize und Wahrnehmungen auftauchen, die in Ihnen negative Reaktionen auslösen, desto besser können Sie damit umgehen: durch Vermeidung, Distanzierung, innerliches sich-vorbereiten oder Unterstützung durch andere Menschen. Oft sind es Winzigkeiten, die nicht bewusst werden, weil man gleich in die Reaktion geht, ohne den Auslöser wirklich zu erkennen. Auslöser - sogenannte Trigger - sind im Unterbewußtsein verankerte "Stellvertreter" für das Trauma, Elemente, die assoziativ mit dem Trauma verbunden sind. Das kann direkt mit der Traumasituation zu tun haben.
Eine Frau, die den Tsunami überlebt hatte, konnte es nicht ertragen, Meeresrauschen zu hören. Das war auch beim an- und abschwellenden Rauschen des Straßenverkehrs in geschlossenen Räumen ein Problem. Ihr war nicht bewusst, warum sie sich an Orten dieser Art so unruhig und angespannt fühlte.
Ein Mann, der zwei Autounfälle hatte, wurde angespannt, nervös und innerlich aggressiv, wenn sich ein Auto aus einer Seitenstrasse von rechts annäherte. Dies steigerte sich, wenn das Auto rot war.
Eine Frau, die vergewaltigt wurde, konnte sich auch bei ihrem Ehemann, der immer liebevoll gewesen war, nicht mehr auf Sex einlassen.
Ein Mann, der als Kind geschlagen wurde, konnte nicht verhindern, innerlich zusammenzuschrecken, wenn jemand vor ihm stand und die Hand hob, um sich z.B. am Kopf zu kratzen.

Trigger können auch Wahrnehmungen sein, die nichts mit der Situation direkt zu tun haben, aber während der Situation oder in assoziiertem Zusammenhang damit auftauchen. Das kann eine Zeitschrift sein, die nach der Einlieferung auf dem Nachttisch des Krankenhauses lag; oder das Lieblingsgewürz des Krankenhauskoches; oder der Geruch des Desinfektionsmittels im Krankenhaus. Es kann auch eine Kirchenglocke sein, die erklang, als "es" passierte. Möglicherweise ist die betreffende Tageszeit belastet, oder der Tag der Woche. Bei einem Einzelereignis werden ziemlich sicher die Jahrestage schwierig werden, auch wenn es gar nicht zu Bewusstsein kommt, welches Datum es gerade ist.
Die Auslöser können auch unauffälliger sein, wie etwa ein bestimmtes Licht, das durch Blätter fällt; ein bestimmter Geruch; ein kratzendes oder quietschendes oder reißendes Geräusch.
Die Auslöser können auch "innen" liegen: ein bestimmter Gedanke, der einem in den Kopf kommt; ein Trauminhalt; eine Körperhaltung, die man z.B. beim Hausputz einnimmt; ein Druck auf eine Operationsnarbe; eine bestimmte Art oder Tiefe des Atems, die vielleicht beim Sport entsteht; ein emotionaler Zustand wie Trauer oder Angst; ein spezifischer Grad an Lebendigkeit oder Energie.
Diese Vielfalt und die rein unbewusste Auslösung der Trigger erklärt, warum eine Stimmung plötzlich und scheinbar unerklärlich auftauchen kann. Bisweilen gehört detektivischer Spürsinn dazu, sich selbst auf die Schliche zu kommen und den Trigger zu erkennen.
Wenn Sie Ihre Trigger besser kennen, etablieren Sie Maßnahmen, die Ihnen helfen, den Sog des Traumas wieder zu verlassen. Sehen Sie in eine andere Richtung, konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart, rufen Sie jemanden an, den Sie mögen, verlassen Sie den Raum und schauen Sie den Himmel an oder was immer Ihnen hilft.

"Ich habe diese Verbrennungen, aber ich bin sie nicht. Das ist eine Sache, die sich selber entscheide, was mir an mir wichtig ist. […] Das Grundgefühl ist, dass ich das Leben in eigene Hände nehme und dass ich das ausprobiere, wofür ich zuvor oft zu schüchtern gewesen bin, zum Beispiel tanzen. Den Körper zu feiern auf ´ne Weise aus Freude am Leben zu sein. "
Johannes Groschupf, Autor von "Zu weit draußen" im rbb Nachtcafé 1.7.06
Ich habe ein Trauma, aber ich bin es nicht.
Verankern Sie sich im eigenen; stärken Sie, was Ihnen gehört und was zu Ihnen gehört. Seien Sie parteiisch für sich selbst. Betonen Sie den Unterschied zwischen Ihnen und Ihren Traumatisierungen.

 

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