Methoden der Traumatherapie

Es gibt eine Reihe von Ansätzen, mit traumatischen Störungen therapeutisch umzugehen. Lange Zeit waren es vor allem die Verhaltenstherapie und die Kognitive Therapie, die eine Hilfe darstellen konnten, die Symptomatik besser in den Griff zu bekommen und die auch heute noch breite Verwendung finden. Leider konnten viele Menschen durch diese Methoden keine tiefgreifende Besserung ihres Befindens erfahren, so dass die Forschung und die Therapeuten aktiv blieben, nach weiteren Möglichkeiten Ausschau zu halten. Auch wurde das Trauma nicht auf tieferer Ebene bewältigt, d. h. die im Trauma gebundene Energie wurde nicht wieder freigesetzt, sondern es blieb dabei, mit dem Trauma besser und symptomärmer zu leben, mehr Kontrolle über die Symptome zu gewinnen, was natürlich für Betroffene bereits unglaublich wertvoll sein kann.
In den letzten 10-15 Jahren sind daher verschiedene neuartige Methoden wie EMDR und Somatic Experiencing entwickelt worden, die über das verbesserte Leben mit dem Trauma hinaus Möglichkeiten bieten, zu einer tatsächlichen Verarbeitung zu kommen und damit aus einem Trauma eine "normale" Erfahrung zu machen, die in der Vergangenheit liegt und die Jetztzeit nicht mehr direkt belastet. Die Entwicklung dieser Methoden wurde gefördert durch die Erforschung der Neurophysiologie des Traumas, die grade in den letzten 10 Jahren immer mehr verständlich macht, was Traumatisierungen auf der physiologischen und sogar anatomischen Ebene bedeutet. Daraus leiteten sich wichtige Erkenntnisse zur Behandlung ab. So scheint das Modell der Strukturellen Dissoziation nach Nijenhuis und Kollegen zur Basis eines übergreifenden Trauma-Verständnisses zu werden. 
Eine übergreifende Therapieform, die alle diese Aspekte integriert, gibt es noch nicht; jedoch nähern sich die verschiedenen Behandlungsmodelle einander in grundlegenden Fragen an.

"Moshe Feldenkrais beeinflusste geschickt den Körper einer Frau, die seit etwa einem Jahr geschieden war. Seither war sie nicht gewillt gewesen, über ihren Trennungsschmerz zu sprechen. Sie hatte das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. Plötzlich begann sie zu weinen und hörte 20 Minuten lang nicht auf. Feldenkrais´ Handgriffe hatten die Spannung gelöst, die sie empfunden hatte, und sie war schließlich imstande, ihre verschütteten Gefühle zu äußern. Danach machte sie einen unbeschwerten und entspannten Eindruck, und wir alle fühlten uns wunderbar. Feldenkrais saß jedoch in einer Ecke und schaute düster drein.
"Was ist los, Moshe? Sie haben Elaine sehr geholfen. Warum sind sie so traurig?"
"Unsinn", sagte er, "ich bin zu schnell vorgegangen. Hätte ich es richtig gemacht, hätte sie nicht in Tränen ausbrechen müssen. Sie hätte sich normal gelöst, im Rahmen ihrer Fähigkeit, das Gefühl zu kontrollieren."
(Will Schutz, Mut zum Selbst)

Was im Falle von Elaine vielleicht "die bessere Lösung gewesen" wäre, für Traumatherapie ist genau dieses Verständnis seelischer Vorgänge zwingend notwendig. Ein zu starkes, schnelles und intensives Aufkommen von Gefühl und Erregung ist das, was Trauma reaktiviert und wieder zurückwirft, statt zu lösen; ist auch genau, was viele Klienten bei anderen Therapien oder mit sich selbst schon erlebt haben, und was die Angst auslöst, sich in eine therapeutische Auseinandersetzung mit ihren dunklen und gefangenen Seelenteilen hineinzuwagen.

Grundsätzliches

Ansätze und Methoden zur Behandlung von Trauma sind recht unterschiedlich. Der Fortbildungsumfang reicht von 5 Tagen (EMDR) bis hin zu 36 Tagen innerhalb von drei Jahren (Somatic Experiencing). In jedem Fall genügt die Fortbildung, die ja keine Therapieausbildung ist, sondern eine Zusatzausbildung, als solche noch nicht zur Durchführung sicherer und hilfreicher Traumatherapie. Es bedarf zusätzlich eine vertiefte Auseinandersetzung der Behandler mit dem Thema und einen persönlichen Entwicklungsprozess, der deutlich über die eigentliche Ausbildungszeit hinausgeht. Außer den fachlich-theoretischen Aspekten liegen den verschiedenen Wegen von Traumatherapie bestimmte wichtige Gemeinsamkeiten zugrunde:

Traumatherapie soll einen Prozess der Verarbeitung möglich machen, der einem Menschen so allein nicht gelingt. Dazu gehört von Seiten des Behandlers sowohl die fachliche Kompetenz als auch die eigene seelische Stabilität; normalerweise auch eigene Erfahrung mit Trauma und vor allem mit Traumabewältigung. Die Person des Traumatherapeuten / der Traumatherapeutin ist ein wichtiges Werkzeug der Therapie. Sie setzt dem traumatisierten Menschen ein Gegenüber entgegen, zu dem eine Beziehung möglich wird und der Begleitung gibt. Dabei ist wichtig, in wie weit der Therapeut / die Therapeutin bestimmte Qualitäten während der Sitzung in ihrer eigenen Persönlichkeit und auch ihrer Physiologie verwirklicht, denn über die Beziehung wirken diese zurück auf den Klienten / die Klientin und werden Teil des Traumabewältigungsprozesses; sie werden sozusagen den eigenen Möglichkeiten des Klienten / der Klientin hinzugefügt. Die Qualitäten, die Traumatherapeuten in ihrer Präsenz und Physiologie dem Prozess hinzufügen sind insbesondere: Vertrauenswürdigkeit, die über Offenheit, Gelassenheit und Stimmigkeit des Therapeuten zu dem Gefühl von Sicherheit führen; (psychischer und manchmal auch körperlicher) Halt, der die Stabilität gibt, die Traumabearbeitung braucht; Entspannung, die sich als vagotone (= entspannte) Physiologie direkt von Körper zu Körper mitteilt; Bewusstseinsklarheit oder Bewusstheit oder Präsenz, die aus den Automatismen heraus aufwachen lässt und eine Neuverarbeitung möglich macht; Resonanz, die eine differenzierte Spiegelung und Beantwortung des Klienten / der Klientin ermöglicht und sowohl Bindungssicherheit als auch Selbstwahrnehmung unterstützt.

Traumatherapie ist immer auch ein Beziehungsprozess. Das Gelingen der Beziehung ist notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung des Traumas im Therapieprozess. Daher ist es wesentlich, nicht wie in der Psychoanalyse üblich "in der Übertragung" zu arbeiten (d.h. eine bestimmte frühere Beziehung des Klienten wird in den Therapeuten proijiziert und im Beziehungsprozess bearbeitet), weil dann Vertrauen und Tragfähigkeit in der Beziehung verloren gehen. Beide Seiten müssen wach dafür bleiben, solche Übertragungen zu benennen und aus ihnen auszusteigen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Beziehungfallen. Vier besonders häufige und wichtige seien hier genannt (nach Dr. Karl-Klaus Madert):

- die Traumaphysiologie des Betroffenen (Erregung, Angst, Impulse) stecken den Therapeuten an, der somit seine Funktion als fester Ankerpunkt verliert und selbst in Schockzustand kommen kann

- der Therapeut fühlt sich als Opfer der vom Betroffenen ausgehenden Aktivitäten / Impulse / Emotionen, fühlt sich überflutet, überfordert, der Situation nicht gewachsen

- der Therapeut schützt sich vor Überschwemmung durch Bagatellisierung, aggressive Abwehr oder sogar Leugnung der Emotionen des Klienten

- der Therapeut will durch Konfrontation und Überflutung den (gesunden) Widerstand des Klienten überwinden oder „brechen“, um ihn in eine Traumadurcharbeitung zu zwingen und wird so zum Täter

Die Arbeit in der Traumatherapie wird immer mehrdimensional oder vielschichtig sein. Die eigentliche Traumareaktion ist biologischer Natur, das Trauma in seinem Kern also ein unabgeschlossener biologischer Prozess. Neben den Veränderungen im Nervensystem und den körperlichen Aspekten verknüpft, oder das verwebt sich aber mit allen Ebenen des Menschen: seine Lebensgeschichte und deren Bedeutung; die Gedankenwelt; dem Beziehungsleben; der Einstellung zum Leben, zur Zukunft, zur Vergangenheit; der Bedeutung aller mit dem Trauma verbundenen Aspekte oder Einzelheiten; der emotionalen Erlebniswelt und Struktur; die spirituelle Seite der Existenz. Meist ist es notwendig, auf diese Aspekte in unterschiedlicher Weise einzugehen, um den Weg freizumachen für die Lösung des Traumas auch auf biologischer Ebene.

Therapie oder lieber damit leben?

Im Trauma liegen die beiden widerstreitenden Kräfte: sich mit dem Ereignis auseinandersetzen zu wollen (oder mit Stellvertretern davon) und doch noch zur Bewältigung zu kommen, und auf keinen Fall damit auch nur im Ansatz in Berührung kommen zu wollen, um nicht wieder in die zerstörerischen und kaum erträglichen Kräfte des Traumas zu geraten. Diese Kräfte werden immer hinarbeiten auf eine Vermeidung, also auch eine Vermeidung einer Therapie, die sich ja offensichtlich um die betreffenden Themen bewegt; aber sie werden das Trauma auch immer neu erleben lassen, und sei es in den Grundstimmungen des Lebens oder in körperlichen Symptomen. Eine Bewältigung ist daher auf jeden Fall wünschenswert. Wer seine Traumatisierungen nicht bewältigt, lebt damit.

"Für mich ist das wie ein Eingeständnis meines persönlichen Versagens, nicht allein damit zurechtzukommen, sondern eine Therapie zu machen."
Im Trauma sind die Grenzen dessen was ein Einzelner tragen kann überschritten. Gerade den Männern wird immer noch beigebracht, dass sie mit allen Widrigkeiten selbst zurechtkommen müssen, wie John Wayne seinerzeit im Wilden Westen. In Wahrheit aber sind Menschen Gemeinschaftswesen, die schon für das Frühstücksbrot auf Zusammenarbeit und Unterstützung angewiesen sind. Isolation und mit allem allein zurechtkommen sind Aspekte des Traumas, nicht unserer biologischen Natur. Es ist bereits ein erster Schritt zur Genesung, die ausgefahrenen Pfade zu überschreiten, die Isolation zu überschreiten und sich bei kompetenten Helfern Unterstützung zu suchen.

"Ich habe erlebt, wie Menschen durch Psychotherapie aus der Bahn geworfen worden sind. Ich komme grad mal so mit meinem Alltag zurecht, da kann ich keine weitere Belastung gebrauchen."
Es liegt ein Dilemma darin: Es braucht eine gewisse Kraft und Stabilität, um an sich zu arbeiten; und wenn man an sich arbeitet, gewinnt man Kraft und Stabilität. Einmal begonnen entsteht daraus eine Spirale, die herausführt aus der Enge und Belastung; aber am Anfang sind die Bedenken groß. Dahinter stehen Erfahrungen von Bewältigungsversuchen, die ins "Zuviel" führten, in die Überforderung. Da ist der Unterschied zwischen normaler Psychotherapie, die sich mit Belastungen oft sehr direkt auseinandersetzt, und der Traumatherapie, die zuerst Stabilität, Sicherheit und Kontrolle über den Therapieprozess erarbeitet, bevor eine dosierte (!) Traumabearbeitung stattfinden kann. Diese Phase der Stabilisierung kann manchmal lange dauern, ist aber die notwendige Voraussetzung für eine Traumabearbeitung, die in die Bewältigung führt, und nicht in erneute Überforderung. Es ist daher Aufgabe des Traumatherapeuten, die Therapie so zu führen und zu dosieren, dass der Alltag weiter bewältigt werden kann.
Wenn Sie in einer Traumatherapie feststellen, dass sie in die Überforderung kommen und ihr Alltag zu schwierig wird, sagen Sie das ihrem Therapeuten. Wenn sich daraufhin nichts ändert, verlassen Sie diese Therapie und finden Sie einen Therapeuten, der Ihnen besser gerecht wird. Wenn Sie in einer normalen Psychotherapie feststellen, in eine tiefe Krise zu fallen oder innerlich sehr aus dem Gleichgewicht zu geraten, erwägen Sie eine Trauma-Therapie.

"Ist es nicht besser, mit den Symptomen zu leben, ich komme ja irgendwie zurecht?"
Wer nicht mehr zurechtkommt, für den entsteht die Notwendigkeit einer Therapie. Sie wird durch Not und Druck erschwert. Wer zurechtkommt, dem bietet sich die Chance einer Therapie. Er kann ruhiger, stabiler und unbelasteter in die Therapie gehen, was die Erfolgsaussichten deutlich verbessert. Es bleibt immer die persönliche Entscheidung, ob man eine Therapie anstrebt oder nicht, und das ist auch eine Frage der Verantwortung sich selbst und seinem Leben gegenüber. Eine Bewusstwerdung der massiven Folgen von Traumatisierung für Körper, Seelenleben und das soziale Gefüge zeigt, dass ein Zurechtkommen immer ein relatives ist, das doch hohe "Kosten" einschließt. Auch weiß man heute, dass selbst verdrängte traumatische Belastungen die Wahrscheinlichkeit, an Herz-Kreislauferkrankungen deutlich erhöhen und die statistische Lebensdauer verkürzen. Im Alter werden auch die Barrieren und Kontrollen schwächer, was häufig zu einem "Hochkommen" unverarbeiteter Ereignisse führt, die dann nicht mehr verarbeiten werden können. So erscheint die Aufarbeitung traumatischer Belastungen als gute Investition in eine gesunde Zukunft. 
Ein Erstgespräch vermag über Chancen und Möglichkeiten einer Therapie Orientierung zu geben, ohne dass man sich schon festlegen muss. Angst und Sorge sollten dabei als Ratgeber gehört werden, ohne ihnen blind zu folgen. Die meisten Bedenken und Sorgen sind in einer guten (fachkundigen und traumaspezifischen) Therapie unbegründet, oder zumindest lassen sich Lösungen finden; auf der anderen Seite verspricht eine gelungene Traumabewältigung nicht nur eine Verminderung oder Verschwinden der Symptome; sie führt auch zu größerer Belastbarkeit und Stabilität, besserer seelischer und körperlicher Gesundheit und besseren Beziehungen zu den Mitmenschen, die ja von den Eigenarten der Traumatisierung mit betroffen sind. Jedoch bleibt die letztendliche Entscheidung immer ganz in den eigenen Händen.

Therapievoraussetzungen

Für das Gelingen einer Traumatherapie sind verschiedene Bedingungen wichtig.

Stabilität: Der äußere Lebenszusammenhang sollte in Bezug auf Finanzen, Wohnsituation und Beziehungen hinreichend stabil sein, dass eine Auseinandersetzung mit den eigenen Themen nicht erschwert wird. Auch sollte genügend innere Stabilität da sein, um die eigene Lebensführung im wesentlichen sicherstellen zu können. Es sollte absehbar sein, dass die Therapie, wenn nötig, auch über längere Zeit hinweg besucht werden kann.

Sicherheit: Die traumatisierenden Bedingungen sollten in der Vergangenheit liegen. Wenn die Bedrohung z.B. durch Gewalt noch anhält, ist eine direkte Arbeit am Trauma nicht möglich; wohl aber eine auf Stabilisierung zielende Therapie.

Kontinuität: zwar können Akuttraumata ohne frühere Belastungen oft in wenigen Sitzungen bewältigt werden. Die Praxis zeigt aber, dass grade solche Menschen Behandlung suchen, bei denen sich akute Ereignisse oder Belastungen mit früheren Traumatisierungen verbinden, auch wenn diese vergessen oder lang zurückliegend scheinen. Daher braucht es für eine gute Therapie die Zeit, die es braucht, und das lässt sich seriös nicht vorher bestimmen. Auch sollte Therapie nicht gesehen werden als  Krisenintervention, wenn es grade sehr schwierig wird im Leben, denn ohne tiefere Aufarbeitung kommt die nächste Krise bestimmt. Also sollte die Bereitschaft bestehen, über eine möglicherweise längere Zeit regelmäßig Therapie zu machen, um an die Wurzeln der Probleme zu kommen. Die besten Aussichten, ihre Belastungen zu bewältigen, haben daher Menschen mit einem gewissen Durchhaltevermögen, auch wenn es schwer fallen sollte. 

Vertrauen: Gerade wenn die Wurzeln der Probleme in zwischenmenschlicher Gewalt liegen, fällt es schwer, Vertrauen zu fassen. Jedoch sollte im Rahmen des Möglichen das Gefühl da sein, mit diesem Behandler bzw. dieser Behandlerin eine tragfähige und offene Beziehung finden zu können. Wenn man sich mit jemandem nicht "am richtigen Ort" fühlt, wird die Arbeit mühsam oder sogar unmöglich.

Wenn diese Grundlagen (noch) nicht gewährleistet sind, ist es kaum möglich, an den Traumata zu arbeiten. Dann kann die Therapie darin bestehen, diese Grundlagen erst einmal aufzubauen.

Somatic Experiencing ®

Die Traumatherapie nach Peter Levine hat zum Ziel, im Organismus noch wirksame überfordernde Ereignisse zu einem inneren Abschluss zu bringen.

Zugrunde liegt die Idee, dass, wie bei wild lebenden Tieren, auch der Mensch in sich die natürlichen Anlagen hat, solche traumatischen Ereignisse zu überwinden, indem bestimmte biologisch vorgegebene überlebenssichernde Abläufe, die vom Stammhirn aktiviert wurden, zum Abschluss gebracht werden und die enorme Energie, die für diese Prozesse bereitgestellt wurde, abgebaut wird.

Ein Beispiel dafür ist das Zittern, das häufig nach einem intensiven Schreckerlebnis auftritt und die Verkrampfung der Muskulatur löst, oder Flucht- oder Kampfreaktionen, die häufig nicht ausgelebt werden (können) und auf anderen Ebenen andauern: z.B. als innere Unruhe oder Unfähigkeit, zur Ruhe zu kommen, oder als Neigung, sich leicht angegriffen zu fühlen und daher aggressiv zu reagieren, Vermeidungsverhalten, Verdrängung, Rückzug nach innen.

Trauma wird also nicht als Krankheit angesehen, sondern als natürliches Notfallverhalten, das noch andauert, weil es nicht vollständig abgebaut werden konnte. Zeit heilt dabei nicht alle Wunden: Chronifizierte Folgen von Trauma wirken bis zu ihrer Auflösung, oft lebenslang, wirken tief in die Persönlichkeitsstruktur hinein und können immer neu aktiviert werden.

Die noch aktiven Überlebensreaktionen sind ansprechbar über das innere Erleben des Körpers (felt sense), dem Verfolgen und Zulassen bestimmter Körperempfindungen und -reaktionen, dem bewussten Durchfühlen der auftretenden Emotionen, dem Bewusstwerden von Bildern und Zusammenhängen. Bei Entwicklungstraumata wie Vernachlässigung und familiärer Gewalt kommt die Arbeit an Verhalten, Beziehungen, Werten, Emotionen und Erinnerungen hinzu.

Dabei ist entscheidend, vor der Verarbeitung zunächst eine positive Basis zu schaffen, die stabilisierend und unterstützend wirkt, und den Prozess so zu verlangsamen und zu dosieren, dass es während des Durchlebens nicht wieder zu einer Überforderung kommt. Deshalb werden immer wieder stärkende Elemente einbezogen und Verbindungen zu den Belastungen gezogen. Dadurch ist die Verarbeitung sanfter als bei kathartischen (auf Gefühlsausbrüche zielende) Methoden, die zu einer Retraumatisierung führen können.

Nach dem Durchleben eines Prozesses ist in der Regel ein Gefühl der Erleichterung und ein Gefühl der Lebendigkeit da. Wenn ein Trauma ganz gelöst wurde, ist dies konkret erlebbar als "es ist vorbei". Damit ist die traumatische Aktivierung aufgelöst und der Mensch ist an dieser Stelle wieder frei für die Gegenwart und die Zukunft.

Im Prozess der Trauma-Bewältigung wächst die Fähigkeit, intensive Empfindungen zu halten, ohne durch Überforderung "abzuschalten" oder "wegzugehen". Es wächst ein vertieftes Bewusstsein für die kostbare Gabe des Lebens. Die geistige Klarheit und die emotionale Erlebnisfähigkeit nehmen zu.

Häufig lösen sich Sekundärsymptome, derer man sich meist gar nicht bewusst ist (Trauma-Verdrängung) auf. Es entsteht ein generell anderes, freieres und unbelasteteres Lebensgefühl.

Somatic Experiencing ® Deutschland e.V.

Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT ®)

Auf der Basis der Tiefenpsychologie bietet diese Therapieform eine Fülle von konkreten Arbeitsmitteln zum Umgang mit Trauma. Auch hier steht am Anfang die Stabilisierung und der Aufbau von stärkenden Aspekten der Persönlichkeit und der inneren Erfahrung (Ressourcen, z.B. der "innere sichere Ort"). Wesentlich ist der Gebrauch von Imagination oder (bildhaften) Vorstellungen, die einen Zugang zu den inneren Prozessen ermöglichen, um diese zu gestalten. So verlegt die "Bildschirm-Technik" das wiederlebte Geschehen auf eine imaginäre Leinwand, um sich so leichter von den Gefühlen und Affekten darin distanzieren zu können. Dabei wird mit inneren Aspekten oder Teilen gearbeitet ("Ego-States") wie dem inneren Kind, dem Beobachter und dem Erwachsenen-Teil. Dessen führende Rolle in der Psyche wird aufgebaut und gefestigt, seine stabile Anwesenheit in der Therapie (und im Leben) ist die Voraussetzung für eine Traumadurcharbeitung.

Die Basis-Therapieausbildung in PITT umfasst derzeit 6 bzw. 8 Ausbildungstage.

Luise Reddemann - PITT

Therapie bei dissoziativen Störungen

Die Therapie bei Dissoziativen Störungen ist eine komplexe und schwierige Arbeit. Sie erfordert besonders behutsames und langsames Vorgehen, weil ungeheuer viel Energie in den abgespaltenen Fragmenten gebunden ist bzw. Betroffene nur wenig in der Lage sind, Empfindungen und Gefühle zu "halten", zu "ertragen". Daher kann es besonders leicht zur Überflutung und Überforderung kommen. Auf der Grundlage der Psychodynamischen Imaginativen Therapie hat sich hier Michaela Huber einen Namen gemacht (s. auch in der Bücherecke).

Die Basis-Ausbildung bei Michaela Huber umfasst derzeit 12 Ausbildungstage innerhalb eines Jahres.

http://www.michaela-huber.com/

EMDR

Diese Methode wurde zufällig von Francine Shapiro entdeckt und seither wesentlich weiterentwickelt. Die Grundidee besteht darin, beide Hirnhälften zu synchronisieren, so daß eine intensive, schnelle und mehrschichte Verarbeitung stattfinden kann. Dabei können neue Aspekte oder Zustände auftauchen, die wiederum mit EMDR weiterverarbeitet werden können, bis ein Trauma soweit aufgelöst oder integriert scheint, daß im inneren Erleben des Klienten das Gefühl der Bewältigung vorherrscht. Um EMDR anwenden zu können, ist auch hier Vorarbeit nötig, um genügende Stabilität und Kontrolle sicherzustellen. EMDR hilft also bei der eigentlichen Traumadurcharbeitung (auch Traumaexposition genannt) und braucht daher weitere Techniken, um überhaupt zur Traumaexposition gehen zu können. Gewöhnlich wird eine Trauma-Erinnerung in den zur Verfügung stehenden Aspekten in das Bewußtsein gebracht, also einschließlich äußerer Wahrnehmung, Körperwahrnehmung, Gefühlen und Gedanken die in dem bestimmten Moment da waren. EMDR soll dann helfen, fehlende Elemente auftauchen zu lassen und die einzelnen Elemente miteinander in Verbindung zu bringen, so daß die Verarbeitung einsetzt. EMDR muß achtsam und dosiert eingesetzt werden, um zum gewünschten Effekt zu führen und nicht zur Überforderung zu führen.
Die EMDR-Technik kann auch zur Verstärkung und Ankerung von positiven Aspekten verwendet werden.

Die Basis-Therapieausbildung in EMDR umfasst derzeit 5 Ausbildungstage und mindestens 20 Stunden Supervision. Zur Verlängerung der Lizenz sind im Abstand mehrerer Jahre weitere Ausbildungs- bzw. Supervisionsseminare zu belegen. Heute wird die EMDR-Technik auch in umfassendere Traumatherapie-Ausbildungskonzepte integriert.

EMDR-Institut Deutschland

Kognitiv-behaviorale Therapie

In dieser Therapieform stehen eine Fülle von Werkzeugen zur Verfügung, die als solche noch nicht beinhalten, in welcher Weise damit gearbeitet wird. Ein zentrales Element ist dabei noch in dem Standardwerk Kolk et al. "Traumatic Stress" 1996/2000 die (wiederholte) Konfrontation mit dem Trauma. Diese soll die Reaktionen auf das schwierige Material abklingen lassen, stellt jedoch für den Behandelten und auch den Behandler eine enorme Belastung dar. Diese kann, wie in der imaginativ-psychodynamischen Therapie, mit Distanzierungstechniken, etwa der Bildschirmtechnik abgemildert werden. Ohne solche Distanzierung steht die Konfrontation im direkten Gegensatz zu Grundprinzipien neuerer Traumatherapien, in der grundsätzlich gefordert wird, im Rahmen der zumutbaren Belastung zu bleiben. Das bedeutet, der Klient soll sich weder überfordert noch ohnmächtig fühlen, er soll keine Zustände erleben, die er selbst nicht mehr steuern kann, und es soll keine Abspaltung (Dissoziation) hervorgerufen oder verstärkt werden. Wenn eine Symptomverbesserung durch direkte Konfrontation erreicht wird, erklärt sich diese möglicherweise nicht durch Verarbeitung des Traumas, sondern durch stärkere Fragmentierung und Verdrängung des traumatischen Materials. Das würde bedeuten, dass das Trauma nur in kleinere "Elemente" zerlegt und diese stärker abgespalten werden. Trotz Symptomverbesserung würde das traumatherapeutisch als Verschlimmerung gewertet werden.
Die Werkzeuge dieses Therapiespektrums können stattdessen auch zur Stabilisierung verwendet werden, um das Trauma wenn auch nicht zu heilen, besser handhabbar zu machen. In Verbindung mit anderen Therapie-Methoden können auch diese Werkzeuge eine Durcharbeitung des Traumas unterstützen.

Reden

Von extremen Ereignissen betroffene Menschen werden sich entweder in Schweigen und Rückzug zurückziehen oder einen teils unwiderstehlichen Drang verspüren, ihre "Geschichte" zu erzählen. Auch im sogenannten Debriefing, einer inzwischen häufig kritisierten Methode, die nach größeren Katastrophen häufig eingesetzt wird für die Betroffenen selbst oder für die Ersthelfer, geht es darum, im Kreise der anderen Betroffenen zu erzählen, was man erlebt hat, was man dabei empfunden hat. Der Wunsch zu erzählen beinhaltet den Wunsch, das Erzählte zu bewältigen. Aus traumatherapeutischer Sicht ist es aber, besonders in zeitlicher Nähe zum Ereignis, kaum möglich, von dem Ereignis zu erzählen, ohne "hineingezogen" zu werden in Gefühle und die erlebte Überforderung, mit anderen Worten, es wird zu einer Reaktivierung des Traumaerlebens kommen. Wenn nun die Geschichte wieder und wieder erzählt wird kann es sein, dass die Gefühle sich abschwächen und zumindest auf einer oberflächlichen Ebene genügend Distanzierung hergestellt werden kann, um sich innerlich aus dem direkten Wirkungskreis des Traumas entfernen zu können. Jedoch ist das nicht gewährleistet, genauso kann die Sensibilisierung sogar noch gesteigert werden. Deshalb werden Traumatherapeuten ihre Klienten nicht einfach "erzählen" lassen, sondern von vornherein darauf achten, dass eine genügende Distanzierung zum erzählten hergestellt wird bzw. nur so wenig erzählt wird, wie gleichzeitig auch verarbeitet werden kann. Insgesamt geht es also darum, das darüber-sprechen genau zu dosieren, so dass eine Verarbeitung einsetzen kann, statt in eine Reaktivierung zu fallen. Das wird den Betroffenen selbst kaum gelingen können, weil der Sog der Gefühle meist zu stark ist und zu plötzlich auftritt.

Beziehungen

Mit der sicherste Indikator dafür, ob eine extreme Situation zu einer Traumatisierung führt oder nicht, liegt darin, ob ein Mensch unterstützende Beziehungen hat, die für ihn da sind, ihn akzeptieren wie er ist und die Möglichkeit bieten, im gewünschten Maß über das Ereignis zu sprechen - oder einfach nur den Rückhalt und die Sicherheit zu erleben, die diese Beziehungen geben. Das können in erster Linie Familie und Partner sein, in zweiter Linie auch enge Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen. Da Trauma bedeutet, dass die innere Welt der Sicherheit einen Schaden genommen hat, den derjenige selbst nicht reparieren kann, beinhalten zuverlässige Beziehungen, die auch im Krisenfall festen Halt geben, insbesondere die Wiederanknüpfung an das Gefühl der Sicherheit im Leben. Das eigentliche Trauma wird dabei vielleicht nicht geheilt, aber das Sicherheitsgefüge kann wieder so stabil werden, dass dieser Zustand sicher balanciert werden kann. Dies gilt besonders dann, wenn der Betroffene schon vorher viel Halt und Sicherheit in seinen Beziehungen gefunden hat, sonst kann es passieren, dass er sich aus seinen Beziehungen herauszieht und in die innere Isolation geht.
Ein Risiko liegt darin, dass die Umgebung des Betroffenen durch die Anteilnahme ebenfalls traumatisiert werden kann. Je größer und stabiler der soziale Verbund des Betroffenen ist, desto stabiler ist er gegenüber dem traumatischen Ereignis.
Wenn Beziehungen auch häufig keine Traumatherapie ersetzen, so kann es für eine Therapie doch entscheidend sein, ob und in welcher Weise weitere unterstützende Beziehungen außer der Therapiebeziehung bestehen.

Entspannungsverfahren, Meditation, Yoga etc.

Eine Fülle von normalerweise hilfreichen Methoden zur Entspannung, geistigen und körperlichen Klärung und Kräftigung bietet sich in Form von Kursen und Seminaren an. Auch ärztlicherseits werden inzwischen Menschen mit beinahe jeder Art von Problemen erst einmal zum Autogenen Training geschickt. In der Regel sind diese Methoden auch sehr hilfreich.
Bei traumatischen Störungen jedoch ist das nicht unbedingt der Fall. Die genannten Entspannungsmethoden sind nicht in der Lage, bis in das innere Traumagebiet vorzudringen. Sie machen kaum eine Traumaverarbeitung möglich. Umgekehrt besteht das Risiko, dass die Hinwendung der Aufmerksamkeit in Ruhe und Versenkung in das eigene Ich hinein, oder den eigenen Körper hinein, die Aktivierung, Unruhe und andere unangenehme Zustände in Zusammenhang mit dem Trauma erst richtig spürbar werden lassen. Im ungünstigsten Falle kommt es zur Überflutung mit traumatischem Material. Wenn es aber gelingt, Entspannung und Problembereiche voneinander getrennt zu erleben, können Entspannungs- und meditative Verfahren einen positiven inneren Bereich etablieren, der die psychische und körperliche Stabilität verbessert, und so "am Trauma vorbei" die Lebensqualität und das Lebensgefühl verbessert.
Verfahren, die eine körperliche Betätigung einbeziehen, wie Yoga oder Tai-Chi-Chuan sind oft besser geeignet, weil die körperliche Entspannung und Kräftigung unterstützt wird, ohne zu sehr in die eigene innere Tiefe zu fallen. Mehr dazu unter der Rubrik "Tipps".

Natur

Da in den meisten Fällen Menschen die Täter sind, ziehen viele Opfer sich aus dem menschlichen Beziehungsraum zurück. Sie finden stattdessen Partnerschaft oder einen "Raum", mit dem sie sich verbinden können in Tieren (Haustiere) oder auch in der Natur. Diese werden als nicht absichtsvoll erlebt, nicht gewalttätig, als gewährenlassend, als unterstützend und bereichernd. Zu Haustieren wird vertrauensvolle Beziehung möglich, in der Natur kann Ruhe, Weite und Harmonie erfahren werden. Selbst in Fällen wo Trauma durch die Natur ausgelöst wurde, können andere Aspekte von Natur "Balsam für die Seele" sein, Stabilisierung möglich machen und ein wiedereinfinden in die verschiedenen Rhythmen des Lebens, das heißt, die Beziehung zur Natur hilft auch, den Zustand innerer Starre zu überwinden (zumindest die allgemeine Starre, das schützt nicht vor der Auslösung von Traumareaktionen durch Trigger-Reize).
Die nährende, sanft rhythmisierende und stärkende Wirkung von Natur sollte bewusst genutzt werden, um sich selbst gutes zu tun. Manchmal kann der Beginn von Therapie nirgends anders liegen als in der Natur.

Medikamente

In der Regel werden Menschen mit traumabedingten Störungen sowohl vom Hausarzt als auch beim Neurologen bzw. Psychiater zuerst mit Psychopharmaka behandelt, anscheinend mangels Kenntnis von Alternativen und teils auch aufgrund des oft hohen Leidensdrucks. Diese zielen dann auf die Störungsbilder, die sich im spezifischen Fall darbieten, also häufig Angststörungen oder depressive Störungen. In vielen Fällen bleibt die erwünschte Wirkung aus und die traumatische Aktivierung besteht trotz der Medikamente, z.T. völlig unvermindert, fort, teilweise sind die Nebenwirkungen sehr stark und destabilisieren den Patienten weiter.
Manchmal genügt eine medikamentöse Dämpfung der Symptome, um Zeit zur Verarbeitung zu gewinnen, so dass die Selbstregulation des Organismus das traumatische Ereignis leichter bewältigen kann. Das kann gelingen, wenn das Medikament in der Lage ist, den Symptomen die Spitze zu nehmen, ohne den Menschen insgesamt zu sehr zu dämpfen oder beeinträchtigen, so dass er in Kontakt mit seinen Gefühlen bleiben kann. Häufig schwächen sich die Traumasymptome ab und treten nach einer Weile in den Hintergrund. Das heißt nicht, dass es zu einer Bewältigung gekommen ist, das Trauma nimmt nach einer Weile meist andere Formen an, die weniger offensichtlich sind.
Medikamente können daher ganz allgemein eine Psychotherapie nicht ersetzen. Sie können jedoch zur Stabilisierung beitragen und damit eine geordnete Verarbeitung unterstützen oder ermöglichen, wenn ein passendes Medikament und eine gute Dosierung gefunden werden können.

 

Letzte Änderung dieser Seite: 16.10.2010
Falls Sie keine Navigationsleiste sehen, rufen Sie bitte die Startseite auf:
 www.traumatherapie-ruhr.de