Zur aktuellen Missbrauchsdiskussion

Die aktuelle Debatte ist wichtig und notwendig. Viel zu lange wurde die Thematik im Dunkeln gelassen, wurden Ausmaß und Folgen verharmlost oder verleugnet. Jedoch gibt es auch Kritik und schwierige Folgen. 

Menschen, die bewusst oder unbewusst solche Belastungen in sich tragen, werden durch die mediale Präsenz der Themen stark belastet. Unruhe, Krisen, Schlafstörungen, Fixierung auf die Thematik, aufbrechende Erinnerungen und anderes können die Folgen sein. Die meisten Betroffenen stehen alleine und ohne Hilfe da. Psychopharmaka sind schnell verschrieben, aber oft wenig hilfreich. Hier müssen Menschen Wege für sich selbst und ihre spezielle Situation finden, Ansprechpartner und unterstützende Menschen. Unter anderem finden Sie auch auf dieser Internetseite umfangreiche Informationen. Gehen Sie sorgsam mit sich um, das erste Gebot bei traumatischen Belastungen ist die Langsamkeit und die Dosierung. 

In der öffentlichen Diskussion fühlen sich viele Opfer unverstanden. Das Gespräch geht weg von ihnen und dem Wunsch nach Anerkennung ihrer belastenden Erfahrungen. Stattdessen geht der Fokus zu stark auf Institutionen und deren Versuch, sich zu rechtfertigen, teilweise auch zu bagatellisieren oder leugnen, besonders die katholische Kirche und das Zölibat werden diskutiert. Das ist wichtig und berechtigt, geht aber am Leiden der Menschen vorbei, um die es hier wirklich geht. Es melden sich auch viele zu Wort, die über keinerlei Kompetenz oder Erfahrung verfügen. Es wird zuviel gesprochen, zuwenig zugehört.  Dazu ein offener Brief des Frauennotrufs Mainz: 
Sexueller Missbrauch und das Übergehen der Fachstellen

Es entsteht der Eindruck, dass wenige kirchliche Schulen und ähnliche Einrichtungen das Problem seien, neben den gern publizierten Pädophilen. Das Gegenteil ist der Fall. Gewalt und auch sexualisierte Gewalt sind ein gesellschaftsweites Thema. Die meisten Täter stammen aus dem engen persönlichen Umfeld der Opfer und kannten diese schon. Außerdem sind ca. 95% der Täter nicht pädophil, sondern "normal" veranlagt. Es muss gesehen werden, dass die Gesellschaft sexualisierte Gewalt in ganz anderer Breite angehen muss. Einige Fakten: 
- mehr als 80% der Täter sind Männer
- etwa ein Drittel hat selbst sexualisierte Gewalt erlebt
- etwa ein Drittel sind "Gelegenheitstäter", welche spezielle Situationen oder Möglichkeiten ausnutzen
- nur etwa 2-7% sind echte Sadisten
- praktisch immer geht es vor allem auch um das Erleben von Macht
(Quelle: Michaela Huber)

Es ist viel von Hilfsangeboten die Rede, von Hotlines und Ansprechpartnern. Das erweckt den falschen Eindruck, es werde etwas für die Opfer getan. Tatsache ist dagegen, therapeutische Aufarbeitung solcher Belastungen, wenn sie gewünscht oder notwendig ist, braucht oft Jahre der Therapie. Der Rahmen von den Krankenkassen bewilligter Therapiestunden reicht häufig nicht aus: 60 Stunden für eine tiefenpsychologische Therapie, immer seltener eine Aufstockung um weitere 20 Stunden, mehr wird in der Praxis heute kaum noch bewilligt. Eine traumatherapeutische Indikation wird häufig von den Gutachtern abgewiesen, so dass fälschlich andere Indikationen verwendet werden müssen. Viele Opfer haben nicht die finanzielle Möglichkeit, selbst eine Therapie zu finanzieren, denn Opfer sind durch ihre Belastungen oft weniger erfolgreich in Karriere und Lebensführung als unbelastete Menschen. Außerdem gibt es nicht genügend speziell ausgebildeter und erfahrener TherapeutInnen. Stattdessen werden häufig Psychopharmaka verschrieben, welche im besten Falle stabilisieren, aber ihrerseits sehr in der Kritik stehen und oft fragwürdig sind. Öffentlicher Druck, um diese Zustände zu ändern, wäre wünschenswert und notwendig.

Gebraucht wird, was Opfern schwerfällt: an der öffentlichen Diskussion teilnehmen. Sich zu Wort melden. Forderungen stellen oder unterstützen, Bundestagsinitiativen einbringen. Eine Initiative, die anstrebt an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen etwas zu verändern ist die Initiative Phoenix, betreut von Peggy Borchert. Sie will die Bedürfnisse Betroffener koordinieren und an die Öffentlichkeit treten, mit dem Ziel, Veränderungen im sogenannten Gesundheitssystem anzustoßen. Anfang Mai sollen Informationen und Unterstützerbriefe weitergeleitet werden an wichtige Träger der öffentlichen Diskussion in Medien und Politik

Weitere Links zu Foren für Betroffene finden Sie hier

 

 

Letzte Bearbeitung dieser Seite: 21.10.2010
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